DIE ZUKUNFT ORGANISIEREN – FÜR EINE PARTEI DER KLASSE

Beschluss des 40. Landesjugendtreffens am 26.10.2025 in Erfurt.

Die Linke Thüringen befindet sich in einem intensiven Programm- und Strategieprozess, der entscheidend dafür ist, ob wir in den kommenden Jahren wieder gesellschaftliche Schlagkraft entwickeln können. Als Linksjugend Thüringen verstehen wir uns als aktiven Teil dieses Prozesses. Wir wollen diesen nicht nur kritisch begleiten, sondern eigene Vorschläge einbringen, die auf unseren bisherigen Beschlüssen aufbauen und die Erfahrungen der vergangenen Jahre weiterdenken. Mit diesem Antrag legen wir konkrete Eckpunkte vor, wie eine klassenorientierte Opposition aussehen kann und welche strategischen Schritte notwendig sind, um die Thüringer Linke wieder zu einer kommunal verankerten, strategisch langfristig denkenden und handlungsfähigen sozialistischen Kraft zu machen – kurz: zu einer organisierenden Klassenpartei.

Regierungsbeteiligung
Die Regierungsbeteiligung der Linken in Thüringen hat uns wertvolle Erfahrungen, Reformen und einige soziale Verbesserungen gebracht, aber ebenso deutlich die Grenzen linken Regierens im Kapitalismus aufgezeigt. Konservative Koalitionspartner, vermeintliche Sachzwänge, die durch die Schuldenbremse entstehen, Standortkonkurrenz mit anderen Bundesländern, ein konservativer Verwaltungsapparat und nicht zuletzt eigene strategische Fehler sind nur einige Beispiele dafür, wie stark Handlungsspielräume für linke Regierungen eingeschränkt sind. Viel Energie und personelle Ressourcen flossen in die Regierungsarbeit in Erfurt, während der Aufbau einer breiten gesellschaftlichen Verankerung in Kommunen und Betrieben scheinbar vernachlässigt wurde. Die schwachen Ergebnisse der Kommunalwahlen 2019 waren bereits der Vorbote für einen Trend, der 2024 in einer existenziellen Krise der Partei in Thüringen und vor allem bundesweit gipfelte.

Wir ziehen daraus die Lehre: Eine linke Regierungsbeteiligung ist nur dann wirklich sinnvoll, wenn die Partei in der Fläche verankert ist, über gesellschaftliche Vorherrschaft verfügt und Druck aus der Gesellschaft aufbauen kann, um gegen innere und äußere Widerstände anzukämpfen und wirklich etwas zu verändern. Solange diese Verankerung jedoch fehlt, verändert Regierungsarbeit nicht die Gesellschaft, sondern uns selbst. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass wir innerhalb der nächsten Jahre eine solche Verankerung erreichen und sehen deshalb eine Regierungsbeteiligung in Thüringen auf absehbare Zeit – das heißt mindestens die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre – als strategisch nicht sinnvoll an. Diese Zeit sollte stattdessen genutzt werden, um die Linke als organisierende Klassenpartei neu aufzubauen. Wir unterstützen die Partei in der Aufarbeitung der Regierungsjahre deshalb und wollen als Jugendverband ein fester Teil dieses Prozesses sein.

Organisierende Klassenpartei
Für uns steht fest: Die Linke muss die Partei der arbeitenden Klasse sein. Unsere Politik sollte nicht belehrend oder moralisierend von oben herab daherkommen, sondern von den Problemen und Erfahrungen im Alltag ausgehen. Im Zentrum steht für uns dabei die Umverteilungsfrage.
Wir sollten der AfD nicht den Gefallen tun, auf die von ihnen provozierten Kulturkämpfe einzugehen und sie mit Identitätspolitik zu beantworten. Stattdessen setzen wir auf eine verbindende Klassenpolitik, die soziale Kämpfe in den Vordergrund stellt und progressive Themen wie Klima, Feminismus, Antifaschismus oder Antirassismus mit dem gemeinsamen Klasseninteresse verknüpft. Unser Ziel ist es, dieses Klassenbewusstsein zu schaffen, indem wir die Menschen organisieren, wo sie sind: In ihren Nachbarschaften, in Betrieben, in Schulen und Hochschulen oder als Engagierte in Vereinen und Bewegungen sowohl in den Städten, als auch im ländlichen Raum.
Dafür brauchen wir eine Bündnisstrategie, die Klassenkampf als Angebot versteht. Denn gemeinsame Probleme – ob steigende Wohnkosten, unsichere Jobs oder die Klimakrise – sind Teil der sich zuspitzenden Krisen im Kapitalismus und eng mit der Eigentumsfrage verknüpft. Sie können Grundlage für ein verbindendes Klassenbewusstsein werden. Gewerkschaften sind zentrale Partner im Aufbau von Klassenmacht, aber sie brauchen neue Impulse, um aus der Defensive und sozialpartnerschaftlichen SPD-Dominanz herauszukommen. Die Linke kann hier eine wichtige Rolle spielen: indem wir unsere Mitglieder befähigen, in Betrieben und Gremien aktiv zu werden, indem wir Austauschformate schaffen und Ressourcen wie Schulungen oder Infrastruktur bereitstellen. Erste Schritte sind, gezielt Betriebe zu identifizieren, in denen schon Genoss:innen arbeiten oder die eine zentrale Rolle für die lokale Wirtschaft spielen. Durch gemeinsamen Austausch und eine Bündelung der Erfahrungen stärken wir so die betriebliche Organisierung. Unsere Aufgabe ist es, Gewerkschaftsarbeit mit politischen Kampagnen und lokaler Verankerung zu verbinden, damit Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung nicht isoliert bleiben, sondern gesamtgesellschaftliche Wirkung entfalten. Ergänzend braucht es dafür als Arbeit vor Ort zum Beispiel Haustürgespräche, Streikunterstützung, konkrete soziale Hilfsangebote sowie kulturelle und gemeinschaftliche Angebote wie Spiel- oder Filmabende. So wird Solidarität praktisch erfahrbar und mit der Linken verknüpft.

Parlamentsarbeit und allgemeines Auftreten
Das Parlament darf nicht der Ort sein, an dem wir moralische Appelle an die Regierung richten oder deren Arbeit übernehmen. Dabei sind wir uns aufgrund der Minderheitsregierung aus CDU, SPD und BSW zwar unserer besonderen Rolle als Opposition bewusst, für uns ist die Oppositionsarbeit aber vor allem Teil der übergeordneten Strategie und Mittel zum Zweck: ein Ort, um Konflikte sichtbar zu machen, sie zu polarisieren und Menschen zu erreichen und zu politisieren. Unser parlamentarischer Auftritt muss deshalb konsequent die Verteidigung sozialer Interessen aus einer klaren Klassenposition sowohl antikapitalistisch als auch antifaschistisch verkörpern. Dazu müssen wir die Regierung als Vertreter von Kapitalinteressen noch offener und mutiger angreifen. Dafür ist es unerlässlich, unsere Social-Media und Pressearbeit auszubauen und dies bereits im Schreiben der Redebeiträge der Parlamentsdebatten mitzudenken.
Wahlkreisbüros und parlamentarische Ressourcen sind dafür einzusetzen, die organisierende Arbeit vor Ort zu unterstützen. Kampagnenarbeit muss auf allen Ebenen – kommunal, parlamentarisch und außerparlamentarisch – miteinander verknüpft werden. Maßstab für unseren Erfolg parlamentarischer Arbeit ist dabei nicht die Regierungsfähigkeit, sondern ob es gelingt, Kämpfe zuzuspitzen, die Klasse zu organisieren und langfristig Gegenmacht aufzubauen. Es ist aber auch wichtig unsere parlamentarische Macht zur realen Verbesserung zu nutzen und uns inhaltlich bei Debatten zu beteiligen.

Damit Die Linke zu einer basisdemokratischen, aber geschlossen agierenden Partei werden kann, müssen wir auch die Organisationsfrage neu denken: Es braucht klare, niedrigschwellige Diskussionsprozesse, die unsere Genoss:innen auf allen Ebenen mitnehmen und anschließend eine verbindliche Praxis. Dabei sind politische Bildung und klare Beschlussdisziplin notwendig, damit Parteifunktionär:innen die Positionen der Partei konsequent vertreten, da die Partei und das Parlament als Instrument der sozialistischen Bewegung und Basis dienen soll.
Die materiellen Interessen unserer Parlamentarier:innen müssen sich zudem mit denen der arbeitenden Klasse decken, für die sie kämpfen. Durch eine Orientierung am durchschnittlichen Einkommen und der gemeinsamen Nutzung darüber hinausgehender Mittel in einem Solidaritäts- und Bewegungsfonds kann unsere Partei sichtbar machen, dass sie nicht nur über Umverteilung spricht, sondern sie praktiziert. Zugleich gilt: gerechte Lösungen müssen die individuelle Lebenssituation berücksichtigen, etwa Verantwortung für Kinder, Sorgearbeit oder familiäre Belastungen.

Nachwuchsförderung
Ein weiterer zentraler Punkt ist der Aufbau einer neuen Generation politisch geschulter Aktivist:innen, die sowohl in Parlamenten, Partei, Gewerkschaften, NGOs und Verwaltung wirken können. Wir begrüßen daher das „Atlas“-Programm der Partei als ersten Schritt in diese Richtung. Neben organisatorischen Grundlagen müssen darin in der nächsten Phase auch auch ideologische und strategische Fragen – politische Ökonomie, Klassenverhältnisse und die Transformation zum Sozialismus – behandelt werden.
Für uns ist zudem klar, dass feministische Ansprüche, die Perspektiven marginalisierter Gruppen und die Förderung von Genoss:innen mit nicht-akademischem Hintergrund entscheidend sind. Nur so wird Die Linke zu einer echten Arbeiter:innenpartei. Auch hier wollen wir als Jugendverband ein fester Teil des Prozesses sein. Zudem soll anwendungsorientiertes Diskussionstraining zur besseren und verständlicherern Weitervermittlung dieser Inhalte stattfinden.

Die kommenden Jahre sind entscheidend: Die Linke muss sich nach dem Hype der Bundestagswahl von einer Partei, die sich noch findet, zu einer organisierende Klassenpartei entwickeln. Nur wenn es gelingt, tiefe Verankerung in Betrieben, Kommunen und im Alltag der Menschen aufzubauen, können wir gesellschaftliche Vorherrschaft erlangen – und irgendwann wieder so stark werden, dass Regieren nicht bedeutet, den Kapitalismus zu verwalten, sondern ihn zu überwinden.